Unterschiedliche Lerntypen
Jeder Mensch lernt auf seine eigene Weise. Einige lernen über den Verstand ihnen hilft eine theoretische Erklärung bei der Lösung eines Problems. Andere brauchen das körperliche Empfinden und lernen, indem sie etwas am eigenen Leibe erfahren. Wiederum andere lernen über das Gehör z.B. durch Hören, Erkennen und Nachahmen eines Klanges. Für manche spielt das Sehen eine wichtige Rolle, sie lernen z.B. durch Anschauen von Abbildungen am besten. Und einige schließlich arbeiten mit der Vorstellungskraft z.B. über innere Bilder und anschauliche Vergleiche und über ihre Gefühlswelt.
Um all diese unterschiedlichen Wahrnehmungskanäle zu berücksichtigen, beinhaltet jedes Kapitel des Buches Folgendes:
- Anatomische und physiologische Erklärungen
- Körperliche Anweisungen
- Hörbeispiele
- Abbildungen
- Beispiele für innere Bilder und Empfindungen
Keine der Lernmethoden ist wichtiger oder besser als die anderen. Die anatomischen und physiologischen Erklärungen beispielsweise werden einige Sänger/innen nützlich finden, während andere damit nichts anfangen können und sie eher verwirrend finden werden. Die Techniken in diesem Buch setzen nicht notwendigerweise voraus, dass man die eigene Anatomie oder Physiologie spürt oder gar versteht. Es ist wichtig, sich von den Erklärungen nicht überfordert zu fühlen schließlich stellen die unterschiedlichen Perspektiven einfach nur eine Palette an Möglichkeiten bzw. an frei wählbaren Angeboten dar. Jeder sollte die Lernmethode wählen, zu der er oder sie den leichtesten Zugang hat und die die besten Ergebnisse bringt. Es kann jedoch von Vorteil sein, alle Möglichkeiten durchzulesen – weil das Einnehmen unterschiedlicher Blickwinkel oft hilfreich ist und die Methoden sich gegenseitig ergänzen.
Die Anatomie des Körpers kennen
Ich empfehle Sänger/innen, sich so bewusst wie möglich darüber zu sein, was beim Singen in ihrem Körper passiert. Daher verwende ich in diesem Buch nach Möglichkeit die korrekten anatomischen Bezeichnungen. Wenn man die Anatomie und Physiologie der Stimme kennt und weiß, wie man sie am besten einsetzen kann, dann ist auch die Gesangstechnik einfacher zu verstehen und man kann infolgedessen besser etwas gegen seine Stimmprobleme unternehmen. Es wird zum Beispiel einfacher, zwischen guten und schlechten Ratschlägen zu unterscheiden und Mythen über die „korrekte” Technik besser einzuordnen. Ich möchte daher alle Sänger/innen dazu anhalten, die Physiologie und Anatomie der Stimme zu studieren und dann den gesunden Menschenverstand einzusetzen, um für sich persönlich die Gesangstechnik zu finden, die sich am besten anfühlt.
Was ist das Hauptproblem?
Während des Lernens ist es of schwierig zu entscheiden, was das Wesentliche ist und was weniger wichtig ist. Als Hilfe dafür gibt es eine Zusammenfassung der Techniken im Kapitel ”Complete Vocal Technique auf vier Seiten” (S. 15). Damit kannst du dir einen Überblick verschaffen, bevor du ins Detail gehst.
Obwohl jedes Thema im Buch ausführlich behandelt wird, bedeutet das nicht, dass alle Themen für alle Sänger/innen gleichermaßen wichtig sind. Alle Menschen unterscheiden sich, und so werden einige Abschnitte für den einen relevant sein und für den anderen nicht.
Wie bei jeder Art von Unterricht ist es entscheidend, sich auf das Hauptproblem zu konzentrieren und sich nicht von unwichtigen Details ablenken zu lassen. Durch das Identifizieren und Lösen des Hauptproblems werden gleichzeitig auch eine Menge anderer Probleme gelöst. Es ist immer einfacher und effektiver, sich auf ein Problem zur Zeit zu konzentrieren, anstatt auf viele verschiedene. Nachdem du dir einen Überblick über die Techniken in diesem Buch verschafft hast, empfehle ich, die für dich relevanten Abschnitte genau durchzuarbeiten, um dein Hauptproblem zu lokalisieren.
Übernimm die Verantwortung für dich selbst
Es ist wichtig, dass man als Sänger/in selbst die Verantwortung für die eigene Entwicklung übernimmt, anstatt von Lehrer/innen abhängig zu sein. Nicht einmal der beste Lehrer der Welt kann dir etwas beibringen, wenn du nicht selbst das Unterrichtsmaterial verinnerlichst und verarbeitest. Letztlich entscheidest du immer selbst darüber, was du gebrauchen kannst, was du nicht umsetzen kannst und was dich im Grunde genommen gar nicht interessiert.
Es ist gar nicht so schwer zu beurteilen, ob du beim Üben auf dem richtigen Weg bist. Die Anwendung korrekter Techniken sollte eine kontinuierliche Verbesserung deines Gesangs zum Ergebnis haben. Es gibt keinen Grund, jahrelang Gesangsunterricht zu nehmen, wenn du nicht den Eindruck hast, dass das Singen dadurch einfacher wird und du deinen Zielen näher kommst.
Vertraue deinem Geschmack, deinem Urteilsvermögen und deinem Gefühl. Experimentieren bringt neue Erkenntnisse und auch Individualität ist wichtig. Spüre, höre, und dann triff deine Wahl. Probiere die Techniken aus und übe, bis du gelernt hast, was du können möchtest. Prüfe, ob sich der Klang so anhört, wie du möchtest. Falls nicht was fehlt? Versuche es mithilfe deiner Intuition und deinem Geschmack selbst herauszufinden. Warum solltest du mit einem Klang singen, der dir nicht gefällt? Nur du kannst DEINE Karriere gestalten und vielleicht basiert deine Karriere genau darauf, dass du anders bist und dich anhörst wie sonst niemand. Beurteile darum immer selbst, ob du deinen Zielen näher kommst.
Der persönliche Geschmack der Gesangslehrer ist meiner Meinung nach unwichtig. Ich sehe die Aufgabe der Lehrer/innen ausschließlich darin, den Sänger/innen dabei zu helfen so zu singen, wie sie es möchten und zwar auf eine gesunde Art und Weise. Zum Beispiel indem die Lehrer beim Zuhören mögliche unkontrollierte Verspannungen identifizieren und Vorschläge dazu machen, wie man sie lösen könnte. Lehrer/innen können natürlich auch klangliche Alternativen vorschlagen aber die künstlerische Entscheidung darüber sollte letztendlich bei den Sänger/innen liegen.
Änderung des Notensystems
Das Notationssystem wurde von Helmholz auf die wissenschaftliche Schreibweise geändert. Einerseits, da außerhalb Europas die Anwendung der wissenschaftlichen Schreibweise mehr Anwendung findet und andererseits, um mit der Zeit zu gehen, da die meisten Computer Programme die wissenschaftliche Schreibweise nutzen.
Die wissenschaftliche Schreibweise benennt die Noten mit einem Buchstaben für den Ton und einer Zahl um die Oktave festzustellen. Die am niedrigsten hörbare Frequenz (16 Hz) definiert die wissenschaftliche Schreibweise als C0. Die Oktave erhöht sich um einen Zähler beim Aufstieg.
„A4“ ist also das erste A (440 Hz) über dem mittleren C. Das bedeutet dass das mittlere C, bisher C1, nun C4 genannt wird.
Üben
Eine gesunde Stimme
Das Erste was Sänger/innen lernen müssen, ist zu vermeiden, die Stimme zu verlieren. Ist dies nämlich erst einmal passiert, dann ist man dazu gezwungen, mit dem Singen aufzuhören, bis sie wieder da ist. Darüber hinaus ist es bei Heiserkeit schwierig zu experimentieren, weil die Stimme nicht normal reagiert. Nur sehr geübte Sänger/innen können es vermeiden, bei belasteter Stimme mit Verspannungen zu kompensieren. Solange die Stimme gut in Form ist, kann man Üben und Experimentieren, bis man sein Ziel erreicht hat.
Muskuläres Gedächtnis
Wenn man etwas wieder und wieder singt, dann erinnert sich das Gehirn an den körperlichen Vorgang man programmiert das „muskuläre Gedächtnis“. Dies bedeutet, dass sich die Muskeln daran gewöhnen, auf eine bestimmte Art und Weise zu arbeiten und damit der Vorgang für die Zukunft automatisiert wird. Aus diesem Grund sollten gesunde Übungsprogramme regelmäßig ausgeführt werden sodass man später vom muskulären Gedächtnis Unterstützung bekommt.
Beim Üben ist es wichtig, dass man sich konzentriert und zu viele Fehler in Folge vermeidet. Grundsätzlich ist es besser, einfache Übungen fehlerfrei auszuführen, als schwierige Übungen mit Fehlern. Falls die gleiche Übung dreimal hintereinander missglückt, dann ist sie zu schwierig und man riskiert unkontrollierte Verspannungen, wenn man weitermacht. Unkontrollierte Verspannungen treten auf, wenn Muskeln im Bereich des Stimmapparates überanstrengt werden oder sich zum falschen Zeitpunkt anspannen. Sie verhindern, dass die Stimme gesund, frei und mühelos arbeiten kann. Vereinfache die Übung so, dass sie gelingt. Mache dich mit dem Gefühl vertraut, das du beim gesunden Singen hast, und programmiere gesunde Übungsabläufe in das muskuläre Gedächtnis ein. Schließlich wird die Stimme so sehr an das gesunde Singen gewöhnt sein, dass du nicht mehr viel Zeit für gesangstechnische Probleme aufwenden musst.
Vertraue auf dich selbst
Eine wichtige Regel, die gar nicht oft genug wiederholt werden kann: Singen darf niemals wehtun oder sich unangenehm anfühlen. Falls sich etwas falsch anhört oder anfühlt, dann versucht deine Stimme dir zu sagen, dass du etwas falsch machst. Vertraue immer deinen eigenen Gefühlen sie sind feiner und empfindlicher als das Ohr des besten Lehrers.
Singen muss sich immer angenehm anfühlen
- Die Techniken müssen immer sofort den gewünschten Effekt haben wenn dies nicht der Fall ist, dann liegt es daran, dass sie nicht richtig ausgeführt werden.
- Falls eine Übung wehtut, sich unangenehm oder einfach falsch anfühlt – dann IST sie falsch. Nur du spürst, wie es sich anfühlt. Vertraue daher deiner eigenen Wahrnehmung.
- Übe möglichst immer so, wie du auch später im „wirklichen Leben“ singen wirst. Zum Beispiel sollten Musiker/innen, die auf der Bühne im Sitzen singen, auch im Sitzen üben.
Übungen müssen einfach sein
Viele Sänger/innen fragen nach speziellen Übungen zum Lösen bestimmter Probleme. Ich glaube nicht, dass die Übungen selbst die entscheidende Rolle spielen es ist die ART UND WEISE, wie man übt. Die volle Konzentration muss darauf gerichtet sein, WIE man beim Üben mit der Stimme arbeitet. Im Endergebnis sollte man in der Lage sein, alle Einzeltöne und Tonfolgen ohne Probleme singen zu können.
Da also die gesamte Aufmerksamkeit darauf gerichtet sein muss, mit der korrekten Technik zu singen, empfehle ich die Übungen so einfach wie möglich zu gestalten. So kann man sich ganz auf die Arbeit des Körpers konzentrieren. Ich glaube, dass komplizierte Übungen einfach zu viel Konzentration in Anspruch nehmen, wenn man gleichzeitig technische Probleme zu lösen hat. Dies ist der Grund dafür, dass die Übungen in diesem Buch einfach gehalten sind und immer nur ein technisches Problem auf einmal behandeln.
Die Übungen in diesem Buch können jederzeit gegen andere ausgetauscht werden, da die melodischen Verläufe an sich keine große Bedeutung haben. Große Bedeutung hingegen hat die ART UND WEISE, wie man mit den Übungen arbeitet. Wenn du also andere Übungen verwenden möchtest, dann kannst du dies gerne tun.
Songs statt schwieriger Übungen
Wenn man einfache Übungen mit korrekter Technik ausführen kann, dann hat man eine solide Grundlage für die Arbeit an Schwierigkeiten in Songs. Ich sehe keinen Sinn darin, sich durch komplizierte rhythmische und melodische Verläufe zu arbeiten, um die Stimme zu trainieren. Bearbeite stattdessen lieber die realen Probleme in einem richtigen Song. Wann immer du auf ein technisches Problem stößt, kehre zu einer einfachen Übung zurück und konzentriere dich darauf, das technische Problem zu lösen. Hast du herausgefunden, WIE das Problem
gelöst werden kann, dann übertrage die Technik auf die entsprechende Passage im Song.
Vielleicht hast du irgendwann keine Lust mehr, Dur-Tonleitern zu üben, und du suchst Anregungen für Phrasierungen oder für die Improvisation. Dann kannst du auch andere Skalen üben, wie zum Beispiel Moll-Tonleitern, pentatonische Tonleitern oder Blues-Tonleitern.
Übungen transponieren
Wenn du eine Übung in einer Tonart gemeistert hast, dann übe sie auch in anderen Tonarten, sodass du sie schließlich in allen Tonlagen beherrschst. Dies nennt sich „transponieren“ und vermittelt einen Eindruck davon, welche Faktoren eine Rolle spielen, wenn man Songs in verschiedenen Tonarten singt.
Persönliches Übungsprogramm
Stell dir selbst ein persönliches Übungsprogramm zusammen, das Übungen zu den Techniken enthält, an denen du arbeiten möchtest. Du kannst dein Übungsprogramm laufend anpassen, je nachdem was du gerade brauchst, an welchen technischen Problemen du arbeiten willst, und wie viel Zeit du zur Verfügung hast.
Wie lange soll ich üben?
Es gibt viele Mythen darüber, wie lange Sänger/innen üben sollen oder dürfen. Aber auch dies ist wieder, wie alles beim Singen, individuell. Sänger/innen müssen selbst einschätzen, wie lange sie sich konzentrieren können und wie lange sie genug Kraft und Energie zum Üben haben. Es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und diese beim Üben nicht zu überschreiten. Üben ohne Konzentration oder Kraft kann unter Umständen mehr schaden als nützen denn es ist gut möglich, dass man eine falsche Technik etabliert, deren Ausbesserung hinterher viel Zeit erfordern kann. Anders ausgedrückt ist es besser nicht (weiter) zu üben, als die Übungen unzulänglich auszuführen.
Mit anderen Sänger/innen zusammen üben
Wenn man zusammen mit anderen übt, dann kann man sich gegenseitig unterstützen und ermutigen. Das Üben bringt mehr Spaß, und oft ist es auch leichter, die Fehler anderer Sänger/innen zu hören als die eigenen. Bildet eine Gruppe zum Üben, helft euch gegenseitig und habt Spaß dabei. Aber auch hier gilt wieder: Vertraue auf dich selbst und verwechsle nicht technische Belange mit Geschmacksfragen. Nur du selbst triffst deine künstlerische Wahl und entscheidest, mit welchem Klang du singen möchtest.
Nutze die richtigen Vokale
Es ist sehr wichtig, die Aussprache der Vokale 100-prozentig korrekt auszuführen. Die Fähigkeit, die korrekten Vokale zu erkennen ist gleichsam wichtig, da die Vokale eine Bedingung für das Aufrechterhalten des Vocal-Modes sind.
Falls du den Vokal nicht richtig aussprichst, ist es unter Umständen nicht möglich bestimmte Vocal-Modes, Klangfarben oder Tonhöhen zu singen. Daher ist es wichtig, den exakten Vokalklang zu kennen, bevor du mit dem üben beginnst. Verschiedene Sprachen oder Dialekte können einen verleiten den Vokal anders als gefordert zu nutzen. Daher solltest du dir die Zeit nehmen dich mit den genauen Vokalklängen bekannt zu machen, in dem du die Vokale in der CVT Sound Library anhörst und imitierst. Siehe Chart „251“.
Übe jeden Vokal einzeln. Höre dir den Klang des Vokals in der CVT Sound Library genau an. Sei nicht irritiert, wenn die Vokale nicht so wie in deiner Sprache oder deinem Dialekt klingen. Ausgehend von der englischen Aussprache der Vokale, sind die Vokale in der CVT Sound Library für alle Sprachen geeignet. Falls du einen Unterschied im Klang des Vokal zu deiner Sprache oder deinem Dialekt feststellst, nutze die Aussprache wie sie in der CVT Sound Library gezeigt wird.